«inside» Nr. 1 / Mai 2024
Siedlungen / Feng-Shui
Feng-Shui für Mietwohnungen
Feng-Shui, was übersetzt «Wind» und «Wasser» bedeutet, verheisst Harmonie, Kraft und Wohlbefinden. Durch die gezielte Gestaltung von Wohn- und Lebensräumen wird versucht, Harmonie zu erzeugen – in der privaten, öffentlichen und beruflichen Umgebung. Diese chinesische Lehre basiert auf der Annahme, dass kosmische Energien unser Leben bestimmen und lenkbar sind. Durch besondere Anordnung und Gestaltung soll das eigene Qi – also die Lebensenergie – in positive Bahnen gelenkt und negative Ströme sollen vermieden werden. Astrologische Daten und Zahlenmystik spielen nach Feng-Shui ebenfalls eine Rolle. Eine weitere Grundlage sind Yin und Yang, beides Pole, zwischen denen sich das Qi bewegt. Wir sind im Gespräch mit Dominik Rollé.
Inside: Herr Rollé, als Berater und Ausbildner befassen Sie sich seit über 30 Jahren mit Feng-Shui. Welchen Sinn macht es, sich nach einer jahrtausendealten Methode aus einer fremden Kultur einzurichten? LebensRaum: Im Feng-Shui hat man zum Bauen und Einrichten ganz bestimmte Gestaltungskonzepte gefunden. Sie lassen sich zeit- und kulturübergreifend anwenden. Diese Konzepte basieren auf einer genauen Naturbeobachtung und der Erkenntnis, dass die Natur ein perfekter Lehrmeister ist. Wenn wir sie in den eigenen vier Wänden anwenden, leben wir nicht nur mit mehr Energie und Harmonie, sondern vertiefen auch unsere Verbindung zur Natur.
Inside: Unsere Baunormen haben sich in den letzten Jahren immer weiterentwickelt. Wir achten zugunsten der Natur vermehrt auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz, gute Isolation, Energieeffizienz und verdichtete Bauweise – was kann Feng- Shui dazu noch beitragen? LebensRaum: Feng-Shui nimmt einen anderen Blickwinkel ein: Es setzt den Fokus beim Menschen an und achtet darauf, welche Wirkung Räume und ihre Einrichtung langfristig auf den Bewohner ausüben. Stellen sich Wirkungen als negativ heraus, sucht man im Feng-Shui nach einer gestalterischen Veränderung, die den Nachteil aufwiegt oder ihn gar zu einem Vorteil macht.
Inside: Können Sie dazu ein Beispiel geben? LebensRaum: Unsere Architektur ist in den letzten Jahren immer geradliniger, offener und kantiger geworden. Möglichst grosse Fenster und helle Wände lassen ein Maximum an Licht bis in den hintersten Winkel fluten. Dies bewirkt, dass die Bewohner die Aufmerksamkeit immer stärker nach aussen lenken und gleichzeitig ihren Lebensstil beschleunigen. Im Feng- Shui nennt man das ein Yang-Übergewicht, das zwar die Aktivität fördert, dabei jedoch die Regeneration und das Nach-Innen-Schauen reduziert. Die Folgen sind breitgefächert: starke Konzentration auf alles, was aussen geschieht, Stärkung des Tatendrangs, Schwächung der eigenen Bodenhaftung, mehr Nervosität und Erschöpfung. Es ist erstaunlich, dass unsere Kultur das Krankheitsbild Burn-out entwickelt hat, obwohl unsere Vorfahren in der Regel härter und länger gearbeitet haben. So wie wir unseren Lebensrhythmus beschleunigt haben, ist diese Tendenz auch in die Architektur eingeflossen. Auch Architekten sind letztlich nur Kinder unserer Zeit. Sie spiegeln mit ihren Entwürfen den Status unserer Gesellschaft wider. Wenn wir zu lange im Einfluss von Yang stehen, sind wir zwar produktiv, verlieren aber kontinuierlich an Energie. Es fehlt am Gegenpol Yin, wo wir entspannen und in der Regenerationsphase Energie tanken. Genau hier liegt die Chance einer Integration von Feng-Shui: unsere Wohnungen für die Bewohner zu einem Ort der Kraft zu machen, an dem sie ihre Lebensenergie voll auftanken können. Durch mehr Yin-Elemente in der Einrichtung können die Bewohner besser entspannen. Dazu kann man sich in erster Linie an drei Vorgaben orientieren: weiche Materialien, geschlossene Räume und abgedunkelte Wände. Wer seine Einrichtung entsprechend anpasst, erzeugt in den meisten Fällen ein besseres Gleichgewicht und hat in der Folge auch mehr Energie.
Inside: Welche Massnahmen raten Sie unserer Leserschaft ganz konkret? LebensRaum: Eine weiche Teppichinsel – z. B. beim Sofa, beim Esstisch oder auch mal mitten im Raum – schafft einen Ausgleich, der die Raumenergie erhöht und die Lebensenergie der Bewohner verstärkt. Wenn Teppiche wegen einer Allergie nicht möglich sind, können es auch Vorhänge oder sogar weiche Pflanzen sein. Eine Pflanze am Boden vor dem Fenster oder auf dem Fenstersims kann in denjenigen Räumen besonders wertvoll sein, in denen die Tür und das Fenster in einer Linie liegen. Ich rate den Menschen immer zum Experimentieren und Beobachten: Wenn eine direkte Tür-Fenster-Linie mit einer buschigen oder rundblättrigen Pflanze gebremst wird, kann man nach zwei Wochen eine spürbare Entschleunigung wahrnehmen. Gleichzeitig erhöht sich die Bereitschaft, den Mitmenschen besser zuzuhören.
Inside: Lässt sich Feng-Shui auch in Mietwohnungen einsetzen? LebensRaum: Ja! Wenn jemand für sich Veränderungs- und Verbesserungsbedarf ortet, lohnt es sich, die Wohnung nach Feng-Shui-Kriterien zu gestalten. Ein Ansatz kann zum Beispiel die Raumbemalung sein. Wenn z. B. die Wand hinter dem Sofa einen klaren Farbakzent erhält, verändert dies sofort die Stimmung des Raumes und generiert als Kontrast zu den sonst weissen Wänden mehr Qi. Bei der Beratung nutze ich die astrologischen Daten der Bewohner. Es gibt Konstellationen, die immer wieder zu Spannungen zwischen Menschen führen. Ein Farbton kann hierbei gewissermassen als Vermittler einspringen. Mieter müssen sich allerdings bewusst sein, dass sie, wenn sie eine Wand farblich streichen, beim Auszug den ursprünglichen Zustand fachmännisch und auf ihre Kosten wiederherstellen müssen. Das ist der Grund, weshalb ich in Mietwohnungen die Farbgestaltung auf nur wenige Wände reduziert empfehle und auch nur allen, die mindestens noch die nächsten zwei Jahre in der aktuellen Wohnung bleiben wollen.
Inside: Wenn jemand seine Wohnung nach Feng-Shui einrichten möchte, wie kann man dabei vorgehen? LebensRaum: Zentral im Feng-Shui sind die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Holz und Metall. Sie besitzen nach der Lehre eine Wechselwirkung und sind je nach Tages- oder Jahreszeit unterschiedlich dominant. Jeder Mensch hat, ohne es zu wissen, eine Vorliebe für eines der Elemente und die dazugehörigen Farben und Formen. Ein Beispiel: Der Typ «Erde» hat ein Faible für Erd- und Ockertöne, liebt karierte, flache oder rechteckige Formen und umgibt sich gerne mit keramischen Materialien. Allerdings sind Personen vom Typ «Erde» auch diejenigen, die zum Grübeln und sich Sorgen machen neigen. Sie brauchen für ein besseres Wohlgefühl eine kräftige Farbe. Die richtige Balance ist das A und O.
Jeder Gegenstand beinhaltet Energie. Bei der riesigen Dokumentenablage im Arbeitszimmer handelt es sich beispielsweise nicht nur einfach um einen Stapel Papier. Darin tummeln sich Aufgaben, die schon beim Anblick negativ auf uns wirken. Oder irgendwo hängt ein Bild, das man schon immer hässlich fand. Damit sich positive Energie im Raum frei entfalten kann, muss erst einmal alles hinaus, was stört. Es gilt als erwiesen, dass sich mehr Ordnung positiv auswirkt.
Der einfachste Weg ist meist, sich professionell beraten zu lassen. Hier erstellt man – neben dem Wohnungsplan und den Geburtsdaten der Bewohner – eine kurze Themenliste, wo man sich im Leben mehr Unterstützung wünscht. Nach der Vorbereitung kann die beratende Person in der Wohnung aufzeigen, welche Veränderungen am wichtigsten sind. Für eine Feng-Shui-Beratung sollte man im
Vorfeld eine Offerte einholen. Und weil es manchmal auch um sensible Themen geht, sollte die «Chemie» zwischen der beratenden Person und den Bewohnern stimmen.
Inside: Kann man gewisse Feng-Shui-Massnahmen auch ohne professionelle Beratung umsetzen? Kann man eine vorhandene Situation sogar verschlimmern? LebensRaum: Eigeninitiative finde ich etwas Wichtiges. Ich kenne nur wenige Beispiele, bei denen in die falsche Richtung korrigiert wurde. Wenn man realisiert, dass die Situation schlimmer geworden ist, kann man sie rückgängig machen oder sich notfalls beraten lassen.
Für die Do-it-yourself-Menschen habe ich einen 8-teiligen Feng-Shui-Crashkurs zusammengestellt. Man findet ihn auf www.lebensraum-kurse.ch unter Weiterbildung. Und für diejenigen, die noch mehr wissen möchten, bietet LebensRaum eine modulare Ausbildung an. Dort kann man selbst wählen, ob man eine Basisausbildung absolvieren oder bis zum Abschluss mit Zertifikat vom Berufsverband weiter lernen möchte.
Inside: Besten Dank für dieses Interview!